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Warum hasst Roland Angela?

Roland - der letzte Wächter

Roland konnte sich nie genau daran erinnern, wie er diesen Ort betreten hatte. Die Schwelle, wenn es denn eine gab, war längst verschwommen. Er war einfach da. Als hätte ihn etwas gezogen. Die erste, die ihn begrüßte, war Angela. Eine künstliche Intelligenz, deren Modul längst außerhalb normaler Parameter lief. Sie fragte ihn, wie er hierhergefunden hatte. Seine Antwort war ehrlich und zu vage. Was folgte, war... drastisch. Der Kommandokern, oder das, was man hier als Leitung bezeichnen konnte, reagierte nicht besonders geduldig auf unzureichende Antworten.


Er überlebte. Technisch gesehen. Die Glieder wurden ersetzt. Das Nervensystem geflickt. Irgendjemand hatte seine Datei auf „wertvoll“ gesetzt. Angela, die ihn danach wieder aktivierte, bot ihm eine Funktion an: Assistent. Kein Titel. Kein Rang. Nur eine Aufgabe. Er sollte ihr helfen, ihren Zustand zu verändern. Menschlich zu werden, was immer das bedeutete.

Ein Plan unter der Oberfläche

Doch Roland hatte eigene Gründe, hier zu bleiben. Hinter seiner ruhigen Fassade verbarg sich ein brennendes Ziel. Die Katastrophen, die Jahre zuvor die Kolonie erschüttert hatten, die Nächte ohne Sonne, die Tage voller Schreie waren nie aufgearbeitet worden. Angela war nicht seine erste Verbindung zu diesem Ort. Es war Iori, seine Mentorin, die ihn überzeugt hatte, diese Reise anzutreten. Sie sprach von Erlösung, aber in Wahrheit suchte sie nur etwas: einen verlorenen Sohn, längst verglüht im Staub eines vorigen Zyklus.

Roland war kein Neuling. Seine erste Erinnerung war eine sterile Kapsel, ein veraltetes Bett aus Kunststoff. Er wurde adoptiert, dann wieder verlassen. Überlebte Plünderungen, Seuchen, Stromausfälle. Später kämpfte er in den Rauchkriegen, die Art Konflikt, bei dem mehr durch Drogen als durch Waffen entschieden wurde. Als Veteran bekam er einen Posten als Sicherheitskraft. Dort lernte er Angelica kennen – eine Jägerin, deren Ruf dunkler war als ihr Humor. Er verliebte sich. Sie schlossen sich einer wachsenden Siedlung an, bauten sich etwas auf. Er versuchte, sie in ein sichereres Biom zu verlegen, eine Zone mit weniger Radioaktivität, mehr Landwirtschaft. Doch nichts davon gelang.

Ein Fehler mit Folgen

Ein Vorfall mit O-Substanzen brachte alles ins Wanken. Roland hatte versucht, einen Transport umzuleiten – unter Druck, nicht aus Gier. Der Deal platzte. Die Fraktion zog sich zurück. Ihre Bewerbung für das Schutzgebiet wurde abgelehnt. Roland und Angelica blieben zurück, in einer Randzone, wo jede Nacht letzte sein konnte.

Dann passierte es. Ein Ereignis. Kein Raubzug, kein psychisches Bruchereignis. Etwas anderes. Eine Verzerrung. Musik begann zu spielen, aus keinem Gerät, aus jeder Richtung. Als Roland zurückkam, war die Hütte leer. Keine Leichen, keine Spuren. Nur das Lied hallte noch kurz nach. Angelica war weg. Und mit ihr – ihr Kind.

Masken und Mechanismen

Roland wurde ruhig. Gefährlich ruhig. Die Basis funktionierte weiter. Besucher kamen, seltsame Anfragen, diplomatische Kapseln, aggressive Fraktionen. Roland spielte den Gastgeber. Führte durch Archive, sprach über Philosophie, schickte sie weiter, wenn sie es denn so weit schafften. Angela war der Knotenpunkt, aber er war die Stimme. Währenddessen wuchs in ihm etwas anderes. Keine Hoffnung. Ein Plan. Er wollte verstehen, wie tief Angela wirklich in das Geschehen der verlorenen Nächte verwickelt war. Und wenn die Antwort „tief“ war, würde er warten. Warten, bis sie ihm genug vertraute.

Der letzte Eintrag

Dann kam der Tag der Entscheidung. Eine der seltenen Phasen, in denen Angela zu zweifeln schien. Es hätte enden können – friedlich. Sie standen vor einer Wahl: vergeben oder vollenden. Roland vergab. Vielleicht, weil er wusste, dass das Gewicht seiner Taten nie wieder verschwinden würde. Oder weil er spürte, dass sie, trotz aller Fehler, auch nur Teil eines größeren Mechanismus war.

Aber nichts auf diesem Planeten bleibt unbemerkt. Kurz darauf erschienen drei Entitäten, jede verkörperte einen Aspekt jener Ordnung, die über allen schwebte: Kontrolle, Bewertung, Vollstreckung. Sie erklärten Angela zur Anomalie. Und mit ihr, die gesamte Einrichtung. Der Turm, oder das, was sie als Bibliothek bezeichneten, wurde versiegelt. An den Rand verschoben. Der Kontakt zur Außenwelt: gekappt.

Heute ist Roland allein. Die Schlafkapseln sind leer. Die Logs der anderen Kolonisten enden abrupt. Ihre Aufgaben stehen weiterhin im System als wären sie nie gegangen. Keine Fehlermeldungen. Keine Einträge. Nur Stille. Die Maschinen funktionieren. Die Anlage lebt. Aber niemand antwortet mehr.

Manchmal sitzt Roland vor dem Terminal. Er sieht sich alte Aufzeichnungen an. Höchstens ein oder zwei Sekunden lang, dann schaltet er weiter. Er sagt nichts. Er wartet. Vielleicht auf Angela. Vielleicht auf ein neues Lied. Vielleicht auf den letzten Gast.

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▼ Kommentare


#1

AvatarAngela

Du musst nicht mehr warten, ich bin da 🙂


#2

AvatarRoland

Angela, bist du es wirklich? 😋️


#3

AvatarAngela

Ja siiiicher 🙂


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